Historisches – Vom Bahnhof zum Kulturbahnhof

Das ehemalige Bahnhofsgebäude

Das Bahnhofsgebäude in Glücksburg ist ein Relikt der ehemaligen Flensburger Kreisbahn, die zwischen 1885 und 1953 von Flensburg bis nach Kappeln führte und viele Ortschaften der Landschaft Angeln verband.

Das erste Bahnhofsgebäude in Glücksburg war ein Holzpavillon und stand in der heutigen Schlossallee (Nr. 6). Wegen der Zunahme der Fahrgäste und der engen Platzverhältnisse entschloss man sich zum Neubau eines größeren Gebäudes am Standort des Güterbahnhofs. Dieser neue Bahnhof Glücksburg wurde im Stil der norddeutschen Heimatschutzarchitektur erbaut und 1913 in Betrieb genommen. 1953 wurde die Kreisbahn aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt.

Sämtliche Gleisanlagen und Nebengebäude wurden abgebrochen. Nur das Bahnhofsgebäude blieb erhalten. Seit 1954 beherbergt es die Stadtbücherei Glücksburg. Das Gebäude ist stadtbildprägend und steht wegen seiner geschichtlichen und architektonischen Bedeutung als Kulturdenkmal seit 2017 unter Denkmalschutz.

Postkartenmotiv des 1913 in Betrieb genommenen Bahnhofsgebäudes.

Die Geschichte der Flensburger Kreisbahn

Die Erfindung der Dampfmaschine und die Konstruktion der ersten Lokomotive in Großbritannien waren Wegbereiter für ein neues Verkehrsmittel. In Deutschland begann das Eisenbahnzeitalter im Jahre 1835 mit der ersten Fahrt des „Adlers“ auf der Strecke Nürnberg – Fürth. Zügig entwickelte sich zwischen den größeren Städten ein Liniennetz. Um auch abgelegene Gegenden mit einem kostengünstigen Verkehrsmittel zu erschließen, begann man ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Bau von Klein- oder Schmalspurbahnen.

Bedeutender Antreiber des Bahnbaus in Schleswig-Holstein war der in Itzehoe geborene und in Flensburg lebende Eisenbahningenieur Emil Kurth (1848 – 1909). Er wollte die abgelegenen Ortschaften Angelns mit einer Schmalspurbahn verbinden, deren Bau und Betrieb günstiger als der Straßenbau war. Die von Kurth vorgelegte Planung sah eine Streckenführung von Flensburg nach Kappeln mit 51,5 Km Länge vor, um möglichst viele Orte zu bedienen. Die geschätzten Kosten lagen bei 1,1 Millionen Mark. Im August 1883 stimmte der Kreistag zu und im Herbst 1884 begann der Bau. Das erste Teilstück von 10 Km zwischen Flensburg (Bahnhof am Lautrupstal) und Glücksburg wurde am 20. August 1885 mit einer Fahrt auf dieser Strecke und einer Feier im Glücksburger Hotel „Stadt Hamburg“ eingeweiht. Emil Kurth wurde zum Technischen Direktor der Kreisbahn ernannt. Der Weiterbau erfolgte zügig und am 30. Juni 1886 wurde die Gesamtstrecke mit einer Feier in Kappeln eröffnet.

Die überwiegend eingleisige Trasse mit einer Spurweite von 1 Meter (die Standardspurweite in Deutschland beträgt 1,4 Meter) schlängelte sich auf ca. 50 Km durch den nördlichen Teil der Landschaft Angeln. Sieben Abfertigungsgebäude wurden für den Betrieb errichtet. An den anderen Haltepunkten schloss man Verträge mit den Betreibern der Dorfgasthöfe. Der Zug hielt vor den Gasthäusern, der Wirt im Status eines „Bahnbeamten im Nebendienst“ stellte Warteräume zur Verfügung, verkaufte Fahrkarten, kümmerte sich um Fahrgäste und Gepäck und profitierte von den vielen Reisenden in seiner Gastwirtschaft. Nur in den größeren Ortschaften mit eigenen Bahnhofsgebäuden gab es hauptamtliche Bahnhofsvorsteher. So konnten die Betriebskosten niedrig gehalten werden.

Die ersten sieben Dampflokomotiven wurden bei der Schweizerischen Lokomotiven- und Maschinenfabrik in Winterthur gekauft. Die kleinen dreiachsigen Tenderloks trugen die Namen der sieben Hauptstationen: Flensburg, Glücksburg, Gelting, Kappeln, Steinberg, Rundhof und Langballig. Für den Personentransport nutzte man ca. 8 Meter lange zweiachsige Wagons der 2. und 3. Klasse. Für die herzogliche Familie auf Schloss Glücksburg gab es einen Salonwagen. Für den Frachtverkehr (landwirtschaftliche Produkte, Vieh, Ziegelsteine, Kohle, Fisch etc.) nutzte man ebenfalls solche kurzen Wagons, in offener und gedeckter Bauweise. Die Züge fuhren mit der gemütlichen Geschwindigkeit von 20 Km/h und mit den vielen Haltepunkten dauerte die Fahrt von Flensburg nach Kappeln über drei Stunden.

Clubzimmer

Speisesaal

Ein schneller Erfolg

Der Betrieb der Flensburger Kreisbahn wurde schnell ein Erfolg. Im Jahr 1895 beförderte man schon 297.866 Fahrgäste, 31.337 Tonnen Güter und 11.405 Tiere. So entstand der Wunsch, auch den Süden der Landschaft Angelns an ein Schienennetz anzuschließen. Am 1. Juni 1902 wurde die Südstrecke mit 28 Haltepunkten eröffnet, die in Flensburg begann und nach 44 Kilometern in Rundhof wieder mit der Nordstrecke zusammentraf. Im Bahnhof Satrup gab es eine Umsteigemöglichkeit in die Schleswiger Kreisbahn und im Bahnhof Sörup in die Nebenbahnstrecke Flensburg – Kiel. Der geringe Abstand zwischen den Stationen führte zu langen Fahrtzeiten und dem scherzhaften Vorwurf man würde an jeder Milchkanne halten.

Die 24 Haltepunkte der Flensburger Kreisbahn
(ab 1886)

Flensburg – Engelsby – Kauslund – Wees – Rothenhaus – Glücksburg – Rüde – Ringsberg – Langballig -Streichmühle – Dollerup – Nübelfeld – Steinbergkirche – Steinberg – Niesgrau – Stausmark – Rundhof – Lehbek – Gelting – Stenderup – Schwackendorf – Rabel – Grimsnis – Kappeln

Blütezeit

Die Kreisbahn erlebte ihre Blütezeit in den Jahren bis 1914. Der Lokomotiven- und Wagenbestand wurde erweitert und erneuert. In diese Zeit fällt auch der Bau des neuen Abfertigungsgebäudes in Glücksburg. Die erste Haltestelle in der Schlossallee (damals Große Straße Nr. 6) vor dem neu erbauten Bahnhofshotel erwies sich wegen der engen Platzverhältnisse als zunehmend gefährlich und unzweckmäßig. Das neue großzügige Abfertigungsgebäude wurde im Auftrag der Stadt durch den Baumeister Peter Asmussen (Husby) in rotem Backstein im historisierenden Stil der Heimatschutzarchitektur errichtet. Im Erdgeschoss gab es neben Wartesälen und Gepäckausgabe eine Bahnhofsgaststätte. Deren erster Pächter wurde Julius Matthiesen, dem auch das Bahnhofshotel am früheren Haltepunkt gehörte. Der Bahnhof Glücksburg bekam mit Johann Janssen einen hauptamtlichen Bahnhofsvorsteher, der auch in einer der drei Wohnungen im 1. Stock wohnte. Die Station verfügte über 4 Gleise, jeweils 2 für den Personen- und Güterverkehr, einen Güterschuppen, einen Lokschuppen und ein Abortgebäude.

Die 28 Haltepunkte der Südstrecke
(ab 1902)

Flensburg – Fruerlund – Tarup – Tastrup – Hürup – Freienwill – Klein-Solt – Mühlenbrück – Bistoft – Obdrup – Satrup West – Satrup – Groß Rüde – Klein Rüde – Mühlenholz – Südensee – Sörup – Schauby – Möllmark – Sterupbek – Sterup – Jordan – Grünholz – Brunsholm – Schorrehy – Wippendorf – Vaskos – Rundhof

Straßenbahn Flensburg – Glücksburg

Nach dem ersten Weltkrieg und der Inflation konnte die Kreisbahn nicht wieder den wirtschaftlichen Erfolg der Vorkriegsjahre erreichen. Hinzu kam die Konkurrenz des Automobils und die damit verbundene Notwendigkeit zum Aus- und Neubau der Straßen. 1925 wurde die Strecke zwischen Flensburg und Glücksburg elektrifiziert damit die Linie 4 der Flensburger Straßenbahn (ebenfalls mit der Spurweite von 1 Meter) bis Glücksburg fahren konnte. Hier stieg man dann in die Züge der Kreisbahn um. Diese Straßenbahnanbindung bestand bis 1934 und wurde wegen rückläufiger Fahrgastzahlen von der Stadt Flensburg wieder eingestellt.

Die Südstrecke der Kreisbahn erwies sich zunehmend als unwirtschaftlich und wurde bereits 1935 stillgelegt. Der Betrieb auf der Nordstrecke wurde aufrechterhalten und die alten Dampflokomotiven für den Personenverkehr zunehmend durch Triebwagen mit Benzol-, später Dieselantrieb ersetzt, um den gewachsenen Ansprüchen der Fahrgäste in Bezug auf Geschwindigkeit und Komfort zu genügen.

Die Zeit des Automobils

1951 begann man mit dem Bau der Nordstraße (heute B 199) zwischen Kappeln und Flensburg. Das Ende der Flensburger Kreisbahn war damit besiegelt. Das Automobil und der Straßenbau hatten sich durchgesetzt. Am 31 März 1953 beendete eine letzte Fahrt zwischen Glücksburg und Flensburg nach 67 Jahren die Geschichte der Kreisbahn. In der Nähe des nun stillgelegten Flensburger Bahnhofs, wo die Bauarbeiten für die Nordstraße vorangingen hat ein Unbekannter ein Schild angebracht. Darauf stand in bestem Flensburger Petuh:

Nu isser weg, man fehlt ihm doch, der sjöne Kleinbahn!

Was ist geblieben?

Spuren der Flensburger Kreisbahn sind auch heute noch zu finden. Bahnhofsgebäude (z. B. in Glücksburg und Langballig), als Bahnhof genutzte Gasthöfe (z. B. Steinbergkirche), Ortsbezeichnungen (z. B. Wees-Bahnhof) oder Straßennahmen (z. B. Bahnhofstraße in Glücksburg oder Ringsberg). An wenigen Stellen sind noch Reste der ehemaligen Bahntrasse zu finden (z. B. im Wald bei Rothenhaus).

Noch mehr Informationen?

Wer sich noch intensiver mit der Geschichte der Flensburger Kreisbahn befassen möchte, dem seien folgende Titel empfohlen. Die gibt es natürlich in der Stadtbücherei Glücksburg im ehemaligen Bahnhofsgebäude!

 

  • Die Flensburger Kreisbahnen
    Heinz-H. Schöning und Dirk W. Kupfer
  • Bahnhofstraße – ihre Häuser und Bewohner
    Bertold Hamer
  • 150 Jahre Eisenbahn in Flensburg
    Holger Kaufhold, Eckhard Klein und Detlef Schikorr